Chronologie |
Während in der frühen Primärbildung die Namen aus einer sinnvollen Motivation heraus gebildet wurden, trat diese in der neueren Sekundärbildung ab dem vierten Jahrhundert in den Hintergrund, und die Namenszusammensetzung erfolgte rein mechanisch. Gerade in der germanischen Rufnamenbildung war durch enorme Kombinationsmöglichkeiten (große Anzahl an Einzelgliedern) eine Vielzahl von Namen möglich, die sich durch Verkleinerung, Verkürzung und Suffixe um ein Vielfaches erweitern ließen. Auch durch lautliche Verschleifung des zweiten unbetonten Gliedes (Erhart => Ehre[r]t, Erat, Eret) treten neue Namensformen auf. Dem gegenüber stand eine einschneidene Abnahme des Grundbestandes der germanischen RN und eine Rufnamenkonzentration einiger weniger Namen. Gründe dafür können sein die Nachbenennung, die im frühen Mittelalter vom Adel ausgehend auch auf die Normalbevölkerung übergreift, die dann nicht nur innerhalb der Familien nachbenennt, sondern auch Herrschernamen übernimmt. So werden als Ausdruck der Familienzugehörigkeit nicht mehr wie früher einzelne Glieder (Namenserweiterungen) weitervererbt, sondern der ganze Name (=> Namensverminderung). Auch die Namenmode mag zur Rufnamenkonzentration beigetragen haben.Diese Beeinflussung der Namengebung ging anfangs sehr langsam vonstatten. Es dauerte annähernd fünfhundert Jahre, bis die Fremdnamen einen nennenswerten Anteil im deutschen Rufnamenschatz hatten. Mit dem 16. Jahrhundert wird die Epoche der Mehrnamigkeit (Rufname + Familienname) eingeleitet, ausgehend aus dem späten Mittelalter, in welchem es beim Adel Brauch war, Kindern zwei oder mehrere Rufnamen zu geben. Gründe für die Mehrnamigkeit könnten unter anderem sein das Bedürfnis nach Prestige,Auch strömten zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert neue Fremdnamen über die gehobenen Stände in die Namengebung, da diese sich von kirchlichen Traditionen lösten, um sich ihre Vorbilder in der Literatur zu suchen. Durch Ableitung von Männernamen werden seit dem 17. Jahrhundert neue Frauennamen konstruiert (Albertine, Klementine, Philippia, Wilhelmine). Anlaß für diese Mode waren französische Vorbilder (Henrietta, Louise, Antoinette), die sich in Deutschland deshalb so schnell verbreiten konnten, weil man so eine Verbindung von Patenonkel und Patenkind herstellen konnte. Sie traten vor allem in protestantischen Gegenden in den Vordergrund, da man von Seiten der Protestanten ein Band der geistlichen Verantwortung zwischen Täufling und Pate (lat. pater "[geistiger] Vater") sah. Jungen, die man nach ihren Patentanten benennen wollte, gab man einfach ähnlich klingende Namen (Martin für Maria). Namenmoden wechselten nun immer häufiger, so werden seit dem 19. Jahrhundert erstmals Kurzformen (Elsa, Dora, Willi, Max) im Standesregister eingetragen. Parallel dazu verläuft die Doppelformennamensgebung (Hannelore, Hansjürgen), die in den dreißiger bis fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu den "Bindestrichnamen" besonders für Jungen führte (Hans-Peter, Hans-Joachim, Klaus-Dieter). Natürlich
versuchte man in der Zeit des Nationalsozialismus per Erlass, den Kindern
"besonders deutsche Namen" (sprich germanische RN) zukommen zu lassen,
um die "Reinheit" der deutschen Sprache zu gewährleisten, was sich
in der Praxis jedoch eher nicht verwirklichen ließ, da man weiterhin
längst eingebürgerte ausländische Namen vergab.
Schon vor 1945 begannen biblische und antike Namen wieder aufzuleben (Andreas, Michael, Thomas). Ab 1950 nimmt die Aufnahme nachbarländischer Namen zu (nordisch: Björn, Sven, Jan, Ni[e]ls, Antje, Heike; slavisch: Nadja, Tanja, Sascha; französisch: Nicole, Yvonne, Nadine; anglo-amerikanisch: Oliver, Steven, Sabrina). Auch werden Namensvarianten immer häufiger (Markus, Mark, Marco), wobei moderne Variationen ältere ablösen. Im ganzen deutschen Sprachgebiet dürften es heute (ohne Ausländer) etwa 20 000 verschiedene RN sein. |